Meine Zeit in Los Angeles war wie eine Serie, die mitten in der Staffel abgebrochen wird. Filmisch, das will ich nicht sagen – vor dem Wort habe ich zu viel Respekt. Aber es war eine gute Serie. Schnelllebig; eine Folge führt zur nächsten, spannungsvoll und abenteuerlich, stark vorantreibend, herz-erbrechend und traurig (das ist zumindest für den Zuschauer Teil einer guten Serie; ich bleibe also dabei, dass sie gut war).
Von den vielen Facetten dieser Stadt und meiner Zeit dort, möchte hier einen ersten, völlig durch meine Perspektive beschränkten Eindruck geben. Von Hollywood. Dem kleinen bisschen, dass ich von meiner Zeit dort mitbekommen habe.
Hollywood glitzert, Hollywood stinkt, Hollywood ist alles, was man spricht; und doch wird es dem nicht gerecht. Nichts wird ihm gerecht, dem Mythos; es selbst ist es auch nicht, gerecht, das Geschäft. Der Stadtteil Hollywood ist nicht so schön. Aber er hat Stil. Weil er das glamouröse Versprechen seines Namens mit Staub und Plastik dekoriert. Und das verleiht der Entzauberung einen rührenden, ruppigen Schimmer. Viel Dreck. Tattooläden, die alle damit werben, diesem oder jenen Star dieses oder jenes Tattoo gestochen zu haben. Autos (wie eigentlich überall, dafür aber mehr sogenannte Celebrity-Safaris; Sie werden dann zum Beispiel zu Adam Sandlers Haus gefahren und vielleicht haben Sie Glück, und es regt sich was, wie beim Klopfen im Affenhaus an die Glasscheibe – guck, es bewegt sich was! und können mit den anderen Insassen vor dem Gebäude stehen bleiben und laut ADAM!!! rufen). Sterne auf den Walk of Fame, so viele Namen, manche kennt man nicht unbedingt (oder ich bin doch völlig ungebildet in Film; natürlich auch nicht auszuschließen). Touristen und Straßen-Doubles von Charakteren und Figuren, die sich irgendwo positionieren zwischen Unmut über ihren Job (der sie zum Beispiel dazu veranlassen würde, in der prallen Sonne ein Shrek, der Oger Kostüm zu tragen), und Begeisterung über das bisschen Fame, was sie sich zumindest für den Moment überziehen oder anstreichen konnten. Glühwürmchen entzünden sich an größeren Feuern und verglimmen.
Vielleicht war es auch gut, das Abbrechen. Serien werden bekanntlich schlechter. Und so sehr der Mensch Wiederholungen in seinem Leben liebt, letztlich schlingen sie sich doch in Endlosschlaufe um das eigene Genick. In Hollywood liegt das Versprechen von Fame & Fortune in der Luft, das zunächst verführt, und dann so essentiell wird, dass man in eine Abhängigkeit gerät, diesen Geschmack des Versprechens für seinen Atem braucht. Das zu verlieren könnte tödlich enden, und tut es für viele auch. Die Leichen pflastern die Straßen. Manche bewegen sich noch und klatschen Make-Up auf ihre verwesenden Gesichter. Manchmal blitzt noch ein wenig Hoffnung, ein wenig Leben in ihren Augen, wenn sie dich ansehen. Wer es rechtzeitig schafft, der wechselt lieber die Stadt, und erkennt erst dann wieder, dass es tatsächlich doch auch eine (wahrscheinlich viel wahrhaftigere) lebenswürdige Existenz außerhalb dieser Welt gibt.
Stattdessen ist dies Leben für viele Filmambitionierte in LA so angestrengt und unabwendbar wie die sich immerzu weitenden Augen der Norma Desmond in Billy Wilder’s Sunset Boulevard (USA, 1950).
Hollywood ist die Branche, in der gar nicht mal mehr so junge Menschen, die gerade einen Master von einer Ivy League erhalten haben und schon unzählige Praktika abgeleistet haben, bereit sind, unbezahlt Vollzeit als Assistent zu arbeiten. Es ist auch eine Branche, in der ein nicht selbstverschuldeter Fehltritt Millionen kosten und das sofortige Ende einer hart erarbeiteten Karriere bedeuten kann. Es wird um Milliarden gegambelt. Und der Wetteinsatz ist die eigene Passion, das zu Erlangende etwas so unkalkulierbares wie… Glück und Geschmack.
Ich bin einigen Menschen begegnet, mehr als ich für diese kurze Zeit für wahrscheinlich gehalten hätte, die sehr erfolgreich im Filmgeschäft arbeiten. Namenhafte Regisseure, ‚wichtige‘ Produzenten enorm erfolgreicher Franchises (Geschichten von romantischen, in der Sonne glitzernden Vampiren und von politischen Spielen, in denen Jugendliche sich gegenseitig in von Kameras bespickten Arenen töten) oder von bewegenden Dramen, die unverhofft den Box Office regierten und es schafften, sich neben Blockbuster Spektakeln zu etablieren (zum Beispiel eine Literaturverfilmung von zwei todkranken Teenagern, die sich Herz über Krebs ineinander verlieben). Und Oscarpreisträger. Und keinem von denen ist es einfach passiert.
Manche dieser Begegnungen veranlassten mich dazu, darüber nachzudenken, was man alles für seinen Erfolg, der ja schnell mit Glück verwechselt wird (eine Illusion, von der ich mich auch nur selten freisprechen kann) einzutauschen bereit wäre, und wie notwendig Narzissmus und Egozentrismus sind, um sich seinen Weg an die Spitze zu erkämpfen. Und an die Spitze müsste man schon in dieser Branche, woanders wird die Luft knapp. Andere dieser Begegnungen ließen mich erkennen, dass es vielleicht doch stimmt: Good things happen to good people. Daran glaube ich und daran halte ich fest.
Die Filmbranche ist voller Wahnsinniger. Narzissten, Choleriker, Maniker, Spinner. Aber das ist keine Überraschung. Deshalb möchte ich vor allem betonen, dass es auch die kreative Heimat großer Künstler und Denker ist, durch und durch liebenswürdiger Menschen, welche durch die Unterstützung und Hilfe anderer ihren Traum verwirklichen konnten, und das nie vergessen haben. Großartige Mentoren und Liebhaber guter, bedeutungsvoller Geschichten. In der es um die Kunst des Geschichtenerzählens geht, und nicht (nur) um das Geschäft des Geldmachens. Das Medium Film aber ist per sé auf einen finanziellen Erfolg angewiesen.
… frecherweise muss man aber anmerken, dass dies hier jemand äußert, der es auch nicht geschafft hat, in der Traumfabrik. Aber Recht hat er, finde ich. Und hiermit auch:
„You can take Hollywood for granted like I did, or you can dismiss it with the contempt for what we don’t understand. It can be understood too, but only dimly and in flashes. Not a half dozen men have ever been able to keep the whole equation of pictures in their heads.“ – F. Scott Fitzgerald – The Pat Hobby Stories.
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